Bayer: Rolfes‘ klare Diagnose und die Frage nach der Therapie

Schon neun Punkte Rückstand auf Platz 1. Das Abschneiden von Bayer 04 in der Liga stellt niemanden beim Double-Gewinner zufrieden. Geschäftsführer Simon Rolfes erkennt alle Symptome. Doch die Ursachenforschung bereitet Schwierigkeiten.

Meister erkennt die Probleme, sucht aber nach Lösungen

Seit Dienstag weilt Simon Rolfes in Sao Paulo in Brasilien. Im Rahmen der „Trophy Tour Brazil“ fungiert er dort bis Freitag als Botschafter der Bundesliga und, „um diesen Erfolg zu nutzen, um unseren Klub in wichtigen Märkten auf der ganzen Welt zu stärken, weiter bekannt zu machen und um am Ende natürlich auch als Klub zu wachsen.“

Begleitet wird der Geschäftsführer von Kim Falkenberg, Head of Recruitment bei Bayer 04, so dass nicht nur die glänzende Vergangenheit, sondern auch die vom Klub ähnlich erfolgreiche erhoffte Zukunft ein Thema der Reise ist. Die Gegenwart des Double-Gewinnes stellt sich hingegen eher trist dar.

Rolfes fordert Entschlossenheit und Kompromislosigkeit

Die Ergebnisse in der Liga sind ungewohnt und genauso unbefriedigend. Auch wenn Bayer 04 dort seit dem 2. Spieltag und dem 2:3 gegen Leipzig unbesiegt ist, sorgen zuletzt fünf Unentschieden aus sechs Partien für Frust. Bayer führt – aber verliert trotzdem regelmäßig zwei Punkte.

„Es fehlen aktuell die letzten Prozente, um Spiele zu entscheiden. Da geht es um die Entschlossenheit vorne. Da geht es auch ums Defensivverhalten – einen Vorsprung mit Kompromisslosigkeit zu verteidigen. Das hat uns Punkte gekostet“, analysierte Geschäftsführer Simon Rolfs gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger, „wir haben die Qualität, aber im Moment rufen wir sie nicht komplett ab.“

„Bei den Zugängen ist Luft nach oben.“ (Simon Rolfes)

Die Schwächen vor beiden Toren sind als Symptome offensichtlich. Genauso wie die fehlende Topform im Kader: „Bei jedem Spieler fehlen ein paar Prozent zum Leistungsmaximum. Das summiert sich und beeinflusst das Mannschaftsspiel“, weiß Rolfes. Dass in diesem Umfeld auch die Sommer-Einkäufe nicht wie erhofft performen, ist mehr oder weniger logisch. So räumt Rolfes ein: „Bei den Zugängen ist Luft nach oben, mit Sicherheit. Sie können sich noch besser integrieren und das gesamte Gebilde mehr in Schwung bringen. Da können die Neuen helfen“, kritisiert der Manager, wobei er betont, „aber es sind nicht nur die Neuen gefordert. Alle Spieler haben Verbesserungspotential.“

Rolfes glaubt nicht an Überlastung oder Schatten der Vorsaison

Das Phänomen der dauernden Führungen und der fast genauso konstant kassierten Ausgleichstreffer wie jüngst beim 1:1 in Bochum stehen für die Hoffnung auf Besserung und die Sorge um die Probleme zugleich. „Dass wir in jeder Partie außer gegen Stuttgart geführt haben, zeigt, dass wir ein gewisses Level haben“, analysiert Rolfes richtig, wobei die bereits elf Punkte, die der Double-Gewinner nach eigener Führung noch abgab, eben umgekehrt auch eine große Schwäche im mentalen Bereich belegen.

Bei der Ursachenforschung geht Rolfes nach dem Ausschlussprinzip vor. „Ich glaube nicht, dass es an einer zu hohen Spielbelastung liegt. Wir haben viele gute Spieler, können auch rotieren. Die Spieler sind englische Wochen gewohnt. Auch an einen Schatten der Vorsaison glaube ich nicht, das wird ja hier und da spekuliert“, sagt Rolfes.

„Es geht darum, diese mentale Stärke wiederzubekommen.“ (Simon Rolfes)

Doch eine richtige Erklärung für die Ursachen des Tiefs hat er nicht. Ihre Auswirkungen auf die Mannschaft benennt er hingegen klar. „Es geht jetzt darum, diese mentale Stärke wiederzubekommen. Das ist ein Ziel“, so der 42-Jährige. Rolfes‘ Lösungsansatz ist in erster Linie ein Appell an die komplette Belegschaft. „Die Verantwortung haben wir alle. Alle sind gefordert, jeder Einzelne. Wir alle sind ein Rädchen in einem großen Rad, das sich möglichst schnell in Bewegung setzen soll. Jeder Einzelne, ob Spieler, Trainer, Staff oder ich hat einen Anteil daran, wie schnell sich das Rad in Bewegung setzt.“

Sich persönlich sieht er in der Position, im Team keine Zweifel an der grundsätzlichen Qualität aufkommen zu lassen, sondern dafür zu sorgen, diese beständig abzurufen. „In verantwortlicher Position muss man dann sehen, was man für diese Gruppe initiieren kann. Wir haben Vertrauen in die Gruppe und müssen das gesamte Potenzial herauskitzeln“, so Rolfes. Doch es bleibt die Frage: Wie?

Es gibt nicht den einen Hebel, den man nur umlegen muss

Klar ist, dass es nicht den einen Hebel gibt, den man umlegen, die eine Stellschraube, die man anziehen oder lockern muss. Detailarbeit ist gefragt, und nicht den grundsätzlichen Ansatz komplett umzukrempeln. Daran besteht für Rolfes kein Zweifel. Erklärt er doch: „Es geht jetzt nicht darum, die Taktik grundlegend zu verändern, sondern darum, eine andere Dynamik hineinzubekommen, vielleicht kleine Sachen anzupassen, um dann wieder Rückenwind zu bekommen.“

Die Voraussetzungen dafür sieht er trotz Länderspielperiode, in der Trainer Xabi Alonso aktuell nur sechs einsatzfähige Profis zur Verfügung stehen, und anschließender Spiele im Drei-Tage-Rhythmus gegeben. „Das kann man auch machen, wenn man viele Spiele hat“, glaubt der Ex-Profi, „da braucht man nicht zwingend komplette Trainingswochen.“

„Mich interessiert, was bis Weihnachten passiert. Da müssen wir punkten.“ (Simon Rolfes)

Bis zum Jahresende soll Bayers Ausgangsposition für die Rückrunde deutlich verbessert werden. Mit dem bei neun Punkten Rückstand auf Bayern München vom Gefühl her jetzt schon verspielten Meistertitel befasst sich Rolfes aktuell zwar nicht, wobei er diesen aber auch nicht abschreibt, wenn er erklärt: „Was im März, April, Mai ist, interessiert mich jetzt nicht. Mich interessiert, was jetzt bis Weihnachten passiert. Da müssen wir in der Liga punkten, in den anderen Wettbewerben Erfolg haben und an unsere Topleistung kommen.“

Das Ziel ist klar, aber der Weg dorthin nicht so einfach zu finden. Schließlich sind die von Rolfes benannten Symptome nicht erst seit dem Bochum-Spiel offenkundig. Und dennoch: Alle Verantwortlichen bei Bayer – sei es der Manager, sei es der Trainer, seien es die Profis selbst – tun sich schwer, den richtigen Ansatzpunkt zu finden, um Bayer 04 wieder in den Meister-Modus zu versetzen.

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