15 Gegentore in acht Ligaspielen sprechen eine eindeutige Sprache. Für die labile Defensive gibt es Ursachen. Leverkusens Stratege Granit Xhaka nennt diese – und auch die Dinge, an denen Leverkusens Problem aus seiner Sicht nicht liegt.
Defensivzweikampf, Kommunikation, Rotation, Stimmung im Team
Die Fehler, die passieren, sind offensichtlich. Sowohl beim 1:1 in der Champions League bei Stade Brest am Mittwoch, als auch beim 2:2 in Bremen am Samstagabend, kassierte Bayer 04 seine Gegentreffer, weil die Profis in den Defensivzweikämpfen nicht entschlossen zupackten, erst zu weit vom Gegenspieler weg standen und dann auch nicht bedingungslos in die Zweikämpfe stachen. Als „zu soft“ hat Trainer Xabi Alonso diese Form des Verteidigens bereits wiederholt kritisiert.
Passierte dies in der Bretagne einer stark durchrotierten Mannschaft mit vielen Akteuren aus der zweiten Reihe, so ereilte an der Weser die derzeitige Bestbesetzung dasselbe Schicksal. Doch wo liegen die Ursachen für Leverkusens Probleme, die sich in 15 Gegentreffern nach acht Ligaspielen unübersehbar in der Statistik ausdrücken?
Bayers Fehler gehen nicht mit Schwächephasen einher
Auffällig zuletzt, dass die Fehler nicht mit akuten Schwächephasen in der jeweiligen Begegnung einhergingen, die Gegentreffer nicht während gegnerischer Dominanz fielen, sondern vielmehr Bayer den Gegner aus Phasen der Leverkusener Spielkontrolle ohne jede Not zurück in die Partie holte.
So kassierte Bayer in Bremen beide Gegentreffer nach der Pause, nach der das Team von Xabi Alonso die Partie viel besser im Griff hatte als in den ersten 45 Minuten. In diesen sah Granit Xhaka seine Mannschaft „sehr passiv“, ehe diese nach dem Seitenwechsel aufdrehte. Da „hatten wir viel mehr Kontrolle, haben schneller nach vorne gespielt, weniger Fehlpässe gespielt, Chancen kreiert.“
„Wenn du zum Gegner drei Meter Abstand hälst, wird es schwierig.“ (Granit Xhaka)
Das Problem: Bayer konterkarierte seine starken Aspekte im eigenen Spiel immer wieder mit Nachlässigkeiten. Die Mannschaft reißt das, was sie sich aufgebaut hat, oft mit dem Hintern wieder ein. „Dann kriegst du so ein ganz einfaches 1:1. Dann kommt eine super Reaktion von der Mannschaft“, lobte Xhaka Leverkusens schnelle Antwort mit der erneuten Führung, „aber danach musst du den Sieg mit nach Hause nehmen.“
Doch das tat die Werkself nicht. Dementsprechend eindeutig fiel Xhakas Urteil zum erneuten Bremer Ausgleichstreffer aus. „Klar, trifft Schmid beim 2:2 den Ball sehr gut, aber wenn du zum Gegner drei Meter Abstand hältst, dann wird es natürlich schwierig.“ Der Versuch von Innenverteidiger Edmond Tapsoba, den Schuss des Bremers zu blocken, erfolgte alles andere als bedingungslos.
Der Schweizer fordert mehr Kommunikation ein
Obwohl Xhaka nach dem Abpfiff seine Wut über das unnötige Unentschieden im Zaum halten musste, trug der emotional aufgeladenen Schweizer eine klare Analyse vor. In dieser stellt das mangelnde gegenseitige Coaching den zweiten Aspekt dar, der dem Schweizer Rekordnationalspieler missfällt. „Diese Tore sind auch eine Sache der Kommunikation. Wenn wir mehr auf dem Platz reden, und uns auch gegenseitig etwas helfen – links, rechts, vorne, hinten – dann ist man auch etwas näher an den Gegenspielern“, nennt der 32-Järige einen weiteren Ansatzpunkt.
Das massive Defensivproblem stellt in seiner jetzigen Form ein K.-o.-Kriterium für die höchsten Ambitionen dar. „Wenn du mittlerweile zwei Gegentore pro Spiel kriegst, dann gewinnst du keine Spiele auf diesem Niveau“ weiß Xhaka nach nur zwei Siegen aus den jüngsten sechs Pflichtspielen. Sein Fazit: “ So wie es momentan läuft, müssen wir nicht nach oben schauen. Sondern wir müssen erstmal schauen, wie wir es hinkriegen, keine Gegentore zu kriegen. Das war eigentlich unsere Stärke letzte Saison. Da dürfen wir uns nicht anlügen, sondern müssen ehrlich zu uns selbst sein.“
„Es geht nicht um Rotation, es geht um den letzten Biss.“ (Granit Xhaka)
Spielt bei der Thematik der vielen Gegentreffer jetzt in Bremen auch die Rotation in irgendeiner Form eine Rolle? Schließlich setzte Xabi Alonso in der laufenden Saison bislang lange auf recht wenige personelle Umstellungen, ehe er beim 1:1 bei Stade Brest stark durchwechselte und danach in Bremen wieder seine wohl derzeitige Bestbesetzung brachte. Viele Reservisten scheinen nicht im Rhythmus zu sein, umgekehrt einige Stammkräfte nicht frisch und wach im Kopf.
Doch die Wechselspiele des Spaniers strich Xhaka direkt von seiner Argumente-Liste. “ Das darf keine Ausrede sein. Wir haben genug Qualität zu rotieren“, erklärte der Sechser und urteilte: „Es geht nicht um die Rotation, es geht um den letzten Biss in unserem Sechzehner. Das ist unser Zuhause, da darf niemand rein. Und momentan gehen da zu viele rein.“
Xhaka unterstreicht das gute Binnenklima
An der Rotation liegt es also laut Xhaka nicht, der das gute Binnenklima im Kader betont. Dieses sieht er als einen Pluspunkt an. „Die Stimmung untereinander ist super“, erklärt der Führungsspieler, „ich glaube, die Stimmung wird uns auch nach so einer Phase nicht kaputt machen.“
Anders als auf Dauer die vielen Gegentreffer. Eine solche schwierige Periode nach einer nahezu perfekten Saison zu erleben, sei „auf jeden Fall“ normal, sagt Xhaka, „das gehört zum Fußball dazu, dass man auch mal eine Phase hat, in der man Gegentore kriegt, in der man vielleicht auch ein bisschen Pech hat. „, erklärt Xhaka, „wir verstehen das.“ Jetzt muss Xabi Alonso den Knopf finden, seine Profis wieder dauerhaft auf wach zu stellen.